Gestern fand in Stuttgart eine Demonstration gegen den geplanten Neubau des Bahnhofes („Stuttgart 21“) statt. Aus bisher noch nicht geklärten Gründen (zumindest gibt es noch keine glaubwürdige Erklärung der Vorgänge) wurde die Demonstration durch die Polizei unter Einsatz von Pfefferspray, Wasserwerfern und Schlagstöcken aufgelöst.
Heute morgen hörte ich dann im WDR den Innenminister von Baden-Württemberg, Herrn Heribert Rech in einem Interview im Morgenmagazin. Als er sinngemäß sagt, dass der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten („Da hat man Pipi in den Augen, wäscht das aus und gut ist!“) natürlich noch wesentlich „humaner“ sei als der Einsatz des Schlagstockes, musste ich dann doch schlucken…
Das Projekt Stuttgart 21 steht seit einigen Wochen ziemlich weit oben in der Berichterstattung der Medien. Offensichtlich wollen vielen Stuttgarter diesen Bahnhof nicht mehr haben. Und sie sind bereit, dafür zu demonstrieren. So versammeln sich dort nicht die üblichen „gewaltbereiten Chaoten“, die in Kreuzberg zum 1. Mai Barrikaden erreichten und Autos anzünden, sondern Bürgerinnen und Bürger jeden Alters und wohl auch jeglicher politischer Couleur. Das in Rahmen der letzten Kommunal- bzw. Bürgermeisterwahl zwischen dem Kandidaten der CDU und der Grünen eine Abmachung getroffen wurde, im Fall einer erheblichen Kostensteigerung einen Bürgerentscheid durchzuführen spielt wohl auch eine wesentliche Rolle (genaueres kann man hier nachlesen ), da jetzt davon nicht mehr die Rede ist.
Nun sprühen, schlagen und wasserwerfern also Polizisten gegen Demonstranten, die versuchen, ein politisch „abgesegnetes“ Projekt noch zu stoppen. Und die fühlen sich in ihrem Demokratieverständnis betrogen, weil niemand auf sie zugeht und ein Angebot macht, dass ihnen in irgend einer Weise entgegenkommen würde. Die Politik setzt ihre beschlossenen Pläne durch und will davon nicht abweichen, die Demonstranten wollen den Bahnhof nicht und könnten wahrscheinlich auch mit einer „einvernehmlichen“ Lösung nicht leben.
Erschreckt hat mich allerdings das Vorgehen der Polizei gegen „ganz normale Menschen“. Näheres dazu findet sich in den einschlägigen Foren und auch bei Amnesty International . Wenn ich mir die vermummten und behelmten (Bereitschafts)Polizisten so anschaue frage ich mich, wie verbohrt Politiker und leitende Beamte sein müssen, dass sie so gegen diese Demonstranten vorgehen. Da hilft es auch nicht, dass von Seiten der Befürworter wohl eine große Kampagne gestartet wurde , die die öffentliche Meinung beeinflussen soll.
Davon abgesehen stehe ich dem Projekt negativ gegenüber. Wir sollten aufhören in diesen Zeiten öffentliche Gelder für solche fragwürdigen Projekte auszugeben. Nicht nur, dass andere Projekte (z.B. Lärmschutz an anderen Bahnstrecken) aufgrund fehlender Mittel nicht realisiert werden können – ein (am Ende) wohl zweistelliger Milliardenbetrag für eine solche Infrastrukturmaßnahme ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Und zu allem Überfluss wird sie mit den Krediten bezahlt, die die jungen Menschen abtragen dürfen, die heute gegen diese Maßnahme protestieren…