Griechenland – Beispiele für seriösen „Qualitäts“-Journalismus

Das für morgen bevorstehende Referendum in Griechenland wird von vielen Medien kommentiert. Dabei fällt auf, dass sich die Wortwahl immer weiter von dem entfernt, was man allgemein unter seriösem Journalismus versteht. Bei der Lektüre der heutigen Ausgabe der WAZ sind mir gleich mehrere solcher Beispiele in´s Auge gefallen

Die WAZ bringt heute einen Kommentar, der die griechische Regierung als

eine Truppe von links- und rechtsextremen, unseriösen Tricksern und Dilettanten

bezeichnet, oder dem Regierungschef vorwirft

…er ist dabei, sein Land in ins Chaos zu führen …

Auch in diesem Kommentar werden die Formulierungen

Ideologische Verblendung, politischer Dilettantismus, populistisches Sendungsbewusstsein: eine gefährliche Mischung.

benutzt. (Nur am Rande: der Kommentator, Gerd Höhler, ist schon durch seine Sachkenntnis über die „Zustände“ auf Kreta aufgefallen).

Herr Höhler erklärt uns auch unter der Überschrift „Jetzt spricht das Volk

Das moderne Griechenland hat mit Volksabstimmungen wenig Erfahrung. Die letzte fand 1974 statt.

Es gehört also „Erfahrung“ dazu, an einer Volksabstimmung teilzunehmen bzw. eine solche durchzuführen… Immerhin verweist Herr Höhler darauf, dass das antike Griechenland als „Wiege“ der Demokratie bezeichnet wird.

Wie der Kommentator Matthias Hannes (bereits blockiert!!) möchte ich hier auf zwei lesenswerte Artikel im Magazin Telepolis verweisen:

Auch hier gilt: lesen und sich eine eigene Meinung bilden. Bemerkenswert ist, dass die Presse in England wesentlich differenziert über das Thema berichtet und Fakten anspricht, die man in der deutschen Presse eher selten findet. Beispielhaft der Artikel aus dem Guardian mit der Überschrift „Where did the Greek bailout money go?„. Einen ähnlichen Artikel aus der FAZ hatte ich am 28. Juni verlinkt. Das sind Fakten, die man im Großteil der deutschen Medien vergeblich sucht!

„Endspiel“ für Griechenland?

Nachdem gestern die Verhandlungen zwischen der „Eurogruppe“ (die aus den Finanzministern der Europäischen Union besteht) und Griechenland abgebrochen wurden, hat der griechische Ministerpräsident Tsipras ein Referendum angekündigt. Am 5. Juli soll die griechische Bevölkerung darüber abstimmen, ob die „Bedingungen“ der Eurogruppe für die Auszahlung der restlichen Tranche aus dem dritten „Hilfspaket“ angenommen werden sollen oder nicht. Die EU hat inzwischen das entsprechende Papier veröffentlicht , damit man sich davon überzeugen kann, welche Forderungen gestellt wurden. Abgesehen vom Ton dieser Forderungen finden sich dort wieder genau die Vorhaben, die in den letzten Jahren gerade eben nicht dazu geführt haben, dass sich die Lage Griechenlands bzw. der Finanzen Griechenlands verbessert haben. Das wird wohl auch der Grund gewesen sein, warum Herr Tsipras die Verhandlungsdelegation aus Brüssel abberufen hat… Warum es eines Referendums bedarf, erschließt sich mir noch nicht. Zumal nach Umfragen (sofern man denen trauen kann) die Mehrheit der Griechen für einen Verbleib in der Euro-Zone aussprechen wird…

Griechenland hat seinem Eintritt in die EU Subventionen bekommen (nach seriösen Schätzungen etwa 500 Milliarden EUR). Diese wurden sowohl für den Aufbau der Infrastruktur, als für die Finanzierung „des Volkes“ benutzt. Griechische Bauern bekommen Subventionen, der Staatsapparat wurde auf ein überzogenes Maß aufgebläht (Stichwort: Vetternwirtschaft). Mit der Schuldenkrise musste auch Griechenland seine Banken retten und „plötzlich“ war die griechische Staatskrise da…

Ich möchte hier nur anmerken, wohin die Milliarden aus den Hilfsprogrammen geflossen sind:

Griechenland braucht den Großteil der Gelder, um seine Kredite zu tilgen, zeigt unsere Grafik. Nur ein geringer Teil landet am Schluss bei griechischen Bürgern.

schreibt dazu die „Zeit-online“ und „der Freitag“ schreibt, wer mit den Zahlungen aus den Hilfspaketen wirklich „gerettet wurde:

Wolfgang Schäuble und seine Anhänger betonen, dass sich die Griechen nicht einfach aus der Verantwortung stehlen könnten. Jemand anders hat das längst geschafft: die europäischen Banken, nicht zuletzt die deutschen.

Ich muss immer an mich halten, wenn ich in Kommentaren zu Berichten vom „faulen Griechen“ lese, der sich auf Kosten des deutschen Steuerzahlers bereichert hat. Auch die Aufforderung, das Rentenalter in Griechenland endlich „auf deutsches Niveau“ anzuheben ist ein solche Mär, die sich dank Bild und diversen Medien in allen Kommentaren hält. Und noch schlimmer: „Die Griechen holen Milliarden Euros aus den Automaten!“ – Hallo: Griechenland hat ca. 11 Mio. Einwohner. Eine Milliarde EUR sind ca. 100 EUR „pro Grieche“ – das holen wir jeden Freitag für den Wochenendeinkauf ab!

Der „Deutsche“ braucht eben immer noch jemanden, auf dem er herumtrampeln kann, obwohl ihm selbst schon das Wasser bis zum Hals steht! Er muss halt das Gefühl haben, dass mit dem deutschen Wesen und „deutschem“ Geld die Welt gerettet wird!

Warten wir mal die nächste Woche ab; alle Seiten betonen, dass ein Verbleib Griechenlands im Euro möglich ist. Aber zu welchem Preis?